Smartphonenutzungsdauer und Social Media-Nutzung

In der eingangs zitierten DAK-Werbung steht, wir würden "immer" auf das Handy starren. Stimmt das? Oder was bedeutet dieses "immer"?

 

Eine der jüngeren Neuerungen auf Android-Smartphones und iPhones sind Apps zur Analyse des eigenen Smartphonenutzungsverhalten.

 

Während Apple den neutralen Begriff 'Bildschirmzeit' verwendet, verknüpft Google seine Anwendung "Digital Wellbeing" (Digitales Wohlbefinden) mit einer klaren emotional-affektiven Positionierung.

 

Das wundert nicht, denn gerade die Diskussion um die Häufigkeit und Dauer der Smartphonenutzung sorgt immer wieder für Aufregung.

  1. Wofür, wann und wie oft nutzen Sie Ihr Smartphone? Suchen Sie auf Ihrem Smartphone, ob Sie Informationen über Ihre Bildschirmzeit bzw. Ihr Digitales Wohlbefinden einsehen können.
  2. Machen Sie den Test: Sind Sie "smartphonesüchtig"?
  3. Reflektieren Sie das Testergebnis kritisch, auch vor dem Hintergrund der folgenden Impulse.

Wampfler (2019) nennt in seinem Buch "Generation 'Social Media'" neun Symptome, die für die Diagnose "Social-Media-Sucht' relevant sind:

 

  1. Sowohl zeitlich als auch gedanklich setzt sich eine Person immer stärker mit der Nutzung von Social Media auseinander und verliert dadurch Verhaltensmöglichkeiten. Sie erlebt das als Kontrollverlust; oft nutzt sie Social Media gegen ihren Willen.
  2. Dieser eingeschränkte Handlungsspielraum wirkt sich negativ auf die schulische oder berufliche Leistung einer Person aus.
  3. Aus 1. und 2. resultieren häufig Konflikte mit wichtigen Bezugspersonen, die
  4. in einen sozialen Rückzug münden, damit genügend Zeit vorhanden ist, sich den medialen Aktivitäten zu widmen.
  5. Damit sind häufig Lügen verbunden: Abhängige geben vor, weniger Zeit mit Social Media zu verbringen, als das tatsächlich der Fall ist.
  6. Die Nutzung wird als immer weniger befriedigend empfunden, weil ein Aufbau von Toleranz stattfindet. Resultat: Was zu Beginn der problematischen Nutzung zur Euphorie geführt hat, kann nur noch durch hohen emotionalen und zeitlichen Aufwand erreicht werden.
  7. Eingeschränkte Nutzungsmöglichkeiten führen zu Entzugserscheinungen.
  8. Versuche, die Nutzung einzuschränken, scheitern.
  9. Die Sucht hat körperliche Konsequenzen wie Schlafmangel, Über- oder Untergewicht etc. (Wampfler 2019, S. 66f.)

Laut WHO zeigten im Jahr 2022 mehr als jede*r zehnte Jugendliche eine bedenkliche Social-Media-Nutzung (definiert u. a. durch Kontrollverlust, Entzugserscheinungen und Vernachlässigung anderer Aktivitäten). Mädchen waren mit 13 % häufiger betroffen als Jungen (9 %). Gleichzeitig unterstreicht der WHO-Bericht auch positive Aspekte von Social Media: "Jugendliche, die zwar intensive, aber nicht-problematische Nutzer sind, berichten von stärkerer Unterstützung durch Gleichaltrige und sozialen Verbindungen."

"'Online-Sein' hat sich also von einem technisch-quantitativen zu einem emotional-qualitativen Konzept gewandelt. Eine klare, rein technisch determinierte Demarkationslinie zwischen Online- und Offline-Zuständen existiert nicht mehr, online zu sein, ist mittlerweile Normalität, 'offline zu sein [...] ein Ausnahmezustand - eine Notsituation' (DIVSI 2014, 68). Damit ist eine für den digitalen Dualismus grundlegende Differenzierung obsolet geworden. Medialitätsbewusstsein kann nicht länger als Unterscheidung zwischen Offline-Welten (= reale Alltagswelt) und Online-Welten (= mediale Konstruktion) verstanden werden, weil sich einst disjunkte Felder inzwischen untrennbar verwoben haben." (Frederking/Krommer 2014, S. 166).

Tweet zu Smartphonennutzung

Tweet von Dejan Mihajlović (Twitter: @DejanFreiburg) zur Smartphonenutzung; Quelle: https://twitter.com/dejanfreiburg/status/961256107275685888

Die Ergebnisse der WHO-Studie nimmt die Politik und das Gesundheitssystem, explizit aber auch das Bildungssystem in die Pflicht. 

Folgende Handlungsappelle werden formuliert:


  • Mehr Investitionen in ein gesundheitsförderndes schulisches Umfeld, das die Vermittlung digitaler Kompetenzen umfasst. Umsetzung evidenzbasierter Programme in Schulen, die sich mit dem verantwortungsvollen Umgang mit sozialen Medien, Online-Sicherheit, kritischem Denken und gesunden Spielgewohnheiten befassen.
  • Ausweitung der psychischen Gesundheitsversorgung. Gewährleistung des Zugangs zu vertraulichen, unvoreingenommenen und erschwinglichen Angeboten der psychischen Gesundheitsversorgung, die sich mit Problemen befassen, die sich aus der problematischen Nutzung digitaler Technologien ergeben.
  • Förderung eines offenen Dialogs. Anregung von Gesprächen über das digitale Wohlbefinden in Familien, Schulen und Gemeinschaften, um Stigmatisierung zu verringern und das Bewusstsein zu schärfen.
  • Schulung von Pädagogen und Gesundheitsfachkräften. Angebot spezieller Schulungen, um eine effektive und integrative digitale Kompetenz und entsprechende Unterstützung zu gewährleisten.
  • Durchsetzung der Rechenschaftspflicht von Plattformen. Sicherstellung, dass Social-Media-Plattformen Altersbeschränkungen durchsetzen, und Schaffung eines Regulierungsrahmens, der die verantwortungsvolle Gestaltung digitaler Tools für junge Nutzer fördert.