In der Kommunikationsforschung werden verschiedene Theorien diskutiert, unter welchen Umständen man sich für oder gegen ein Kommunikationsmedium entscheidet.
Um ein besseres Verständnis für digitale Kommunikation zu bekommen, werden im Folgenden drei ausgewählte Theorien bzw. Modelle vorgestellt, anhand der sich digitale Kommunikation und digitales Kommunikationsverhalten besser beschreiben und verstehen lässt (vgl. Döring 2013; Köhler 2003).
Modelle der rationalen Medienwahl
Social Presence-Theory
Die Theorie der sozialen Präsenz wurde in den 1970er Jahren aufgestellt, um face-to-face-Kommunikation mit computervermittelter Kommunikation vergleichen zu können. 'Social Presence' wurde als das Gefühl gemeinsamer Involviertheit in kommunikative Interaktion definiert. Je nachdem, wie viele Kanäle ein Medium zur Verfügung stellt (Kann ich meine*n Kommunikationspartner*in hören, sehen, hören und sehen oder aber nur lesen, was sie/er geschrieben hat?), desto persönlicher wirkt die Kommunikation bzw. desto höher ist das Bewusstsein der Anwesenheit des Gegenübers. Je geringer die Vielfalt der Kanäle, desto unpersönlicher wirkt die Kommunikation bzw. desto geringer ist das Bewusstsein einer gemeinsamen Anwesenheit in Kommunikationssituationen.
Media Richness-Theory
Genauso wie die Theorie der sozialen Präsenz geht auch die Theorie der medialen Reichhaltigkeit davon aus, dass wir Medien nach ihrem Ausmaß an Lebendigkeit beurteilen: Je persönlicher ein Medium uns scheint, desto reichhaltiger wirkt es auf uns. Auf dieser Basis bilden sich individuelle Medienhierarchien, nach denen sich die Wahl unserer Kommunikationsmedien richtet: Mache ich per WhatsApp oder im persönlichen Gespräch Schluss? Gratuliere ich per E-Mail zum Geburtstag oder per Anruf?
Da Mediennutzung immer mit einem gewissen Aufwand verbunden ist, sollte die Wahl des Mediums nach rationalen Gründen erfolgen: Je reichhaltiger ein Medium, desto größer der Aufwand, der mit seiner Nutzung verbunden ist. Um unnötigen Mehraufwand an Kosten, Zeit, emotionaler Beteiligung etc. vermeiden zu können, muss ich immer wissen, welche mediale Reichhaltigkeit bzw. welche soziale Präsenz die einzelne Kommunikationssituation erfordert.
Bei der Vereinbarung einer Sprechstunde bei Ihrem Professor bzw. bei Ihrer Professorin ist persönliche Nähe nicht erforderlich, so dass sich Ihr Mehraufwand durch eine E-Mail (im Gegensatz zu einem persönlichen Besuch etwa) minimieren lässt. Wenn Sie dagegen Ihrem Partner bzw. Ihrer Partnerin einen Heiratsantrag machen, könnte ein Medium von geringer sozialer Präsenz Ihre Erfolgsaussichten empfindlich schmälern.
Jedoch gilt auch:
"Psychologisch ist bemerkenswert, dass die körperliche Abwesenheit wichtiger Kommunikations- und Beziehungspartner oft die emotionale Nähe nicht automatisch geringer werden lässt, sondern gerade steigert. Eine Erklärung für diesen Effekt könnte darin liegen, dass bei Kopräsenz und multimodaler Wahrnehmung das Gegenüber häufig als selbstverständlich wahrgenommen wird, während es bei Abwesenheit zum Gegenstand intensivierter Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Vorstellung und Sehnsucht ("Romeo-und-Julia-Effekt") wird."
(Döring 2007, S. 305f.)
Modelle der normativen Medienwahl
Modelle der interpersonalen Medienwahl
Individuelle Medienwahlentscheidungen richten sich auch nach den Persönlichkeitsdispositionen (z.B. Schüchternheit, Extrovertiertheit), den sozio-demografischen Merkmalen (z.B. das Alter, das Geschlecht), den Medienerfahrungen sowie der Medienakzeptanz und -kompetenz des/der Empfängers/Empfängerin der zu sendenden Botschaft: Wenn ich weiß, dass meine Freundin bzw. mein Freund niemals seine E-Mails liest, werde ich ein anderes Medium wählen, wenn ich sie oder ihn erreichen möchte. Erfolgreiche mediale Kommunikation erfordert also stets ein bestimmtes Maß an Abstimmung und Einvernehmen bezüglich der jeweiligen Medienpräferenzen.