3. Funktion von Einstellungen im individuellen Bedürfnissystem
Einstellungen erfüllen verschiedene Funktionen. Die Annahme ist, dass die Einstellungen einer Person mit ihren individuellen Bedürfnissen zusammenhängen.
Anpassungsfunktion
Ein Individuum kann aus seinen Einstellungen einen persönlichen Nutzen ziehen. Wenn es seine Einstellungen an seine Bezugsgruppe anpasst und Einstellungen äußert, die von dieser Gruppe gemocht werden, wird es leicht in diese Gruppe aufgenommen. Die gruppenspezifischen, sozial erwünschten Einstellungen rufen positive Reaktionen von Bezugspersonen hervor. Das Gleiche kann in einer größeren Gemeinschaft passieren. Einstellungen werden als Instrumente eingesetzt, um sich Anerkennung, Belobigung und Belohnungen zu verschaffen.
Beispiel:
Norbert bewertet die Digitalisierung in der Schule als wenig gewinnbringend. Um weiterhin die Anerkennung der Schulleitung zu haben und für sein Engagement gelobt zu werden, passt er sich jedoch dieser Meinung an, dass die Digitalisierung einen wichtigen Schritt in Richtung einer zukunftsfähigen Schule darstellt. Er bewertet den Einsatz digitaler Medien im Unterricht gegenüber der Schulleitung und Kollegen als gewinnbringend (kognitive Komponente) und schließt sich einer Arbeitsgruppe an, in der Kollegen sich regelmäßig über neue digitale Tools für die Schule austauschen (Verhaltenskomponente).
Orientierungs- und Interpretationsfunktion: Die Wahrnehmung und Suche nach Informationen sowie der Wissenserwerb werden selektiv durch Einstellungen gesteuert. Mithilfe von Einstellungen strukturieren wir unsere komplexe Realität: Wir entscheiden, was „gut oder böse“ ist, was „wertvoll oder unnütz“ ist. So können z.B. von Lehrkräften alle didaktischen Angebote, die die Begriffe ‚Smartphone‘ oder ‚Tablet‘ beinhalten je nach Einstellung ganz andere Reaktionen auslösen, z.B. dass bei einer LK das didaktische Angebot sofort verworfen wird, bei einer anderen LK das Angebot aber besondere Beachtung findet. Grundsätzlich tendieren Menschen dazu, Informationen zu meiden, die ihnen bei ihrer aktuellen Bedürfnislage kein nützliches Wissen bringen. Ebenso meiden sie Informationen, die mit ihren Einstellungen nicht korrespondieren.
Beispiele:
- Kerstin bewertet die Nutzung künstlicher Intelligenz als gewinnbringend für ihre Unterrichtsvorbereitung, da sie sich dadurch eine Beschleunigung erhofft. Sie sucht daher nach Informationen wie Künstliche-Intelligenz-Tools zur Unterrichtsvorbereitung eingesetzt werden.
- Norbert bewertet die Nutzung künstlicher Intelligenz als zusätzliche Belastung, die seinen Unterrichtsvorbereitungsprozess verzögert. Er klickt sofort weg, wenn er online neue Unterrichtsideen mit dem Stichwort KI findet.
Abwehrfunktion
Einstellungen helfen den Menschen, fremde und unbekannte Objekte, Personen und soziale Zusammenhänge abzuwehren. Sie werden durch die Einstellungen abgewehrt.
Beispiele:
- Kerstin hat im Referendariat die Erfahrung gemacht, dass ihre klassisch gestalteten Unterrichtsstunden deutlich schlechter benotet wurden als die Unterrichtsstunden, die sie digital gestaltet hat. Sie bewertet die Anwendung klassischer Unterrichtsmethoden daher als negativ und wünscht sich Unterricht möglichst digital gestützt gestalten zu können.
- Norbert bewertet die Nutzung künstlicher Intelligenz als zusätzliche Belastung, die seinen Unterrichtsvorbereitungsprozess verzögert. Er erzählt im Kollegium von seinen negativen Erfahrungen mit Chat GPT und der Fehleranfälligkeit des Systems. Er teilt seine Meinung, dass künstliche Intelligenz die Bildungslandschaft negativ beeinflusst und auch generell eine große Bedrohung für die Gesellschaft darstellt.
Expressive Funktion
Mittels Einstellungen drücken Menschen ihre Meinung über Personen oder soziale Zusammenhänge aus. Durch Einstellungen kann man auf diese Weise die eigene Identität präsentieren. Man kann zeigen, dass „man dazugehört“ – z. B. indem man betont, dass man den Autoverkehr nicht mag. Auf diese Weise werden individuelle Werte und Orientierungen zum Ausdruck gebracht. Deshalb nennt man die expressive Funktion der Einstellungen auch die Wertausdrucksfunktion.
Beispiele:
- Kerstin interessiert sich den Einsatz von digitalen Medien im Unterricht. Sie setzt bereits vielfältige Medien im Unterricht ein, möchte jedoch mehr über die neuesten Tools erfahren. Sie hat sich daher zu einer Fortbildung angemeldet, bei der die neuesten digitalen Tools und deren Einsatzmöglichkeiten im Unterricht erläutert werden, angemeldet. Ebenfalls zu dieser Fortbildung haben sich drei weitere Kollegen angemeldet, die sich in dem Bereich ebenfalls gerne fortbilden möchten. Gemeinsam freuen sie sich auf ein schönes Fortbildungswochenende und spannenden, neuen Input.
- Norbert sieht den Einsatz digitaler Medien im Unterricht kritisch und möchte diesen soweit es geht, vermeiden. Auch seine beiden Kollegen Sandra und Amir können dem Einsatz digitaler Medien wenig abgewinnen. Bei einem gemeinsamen Abendessen tauschen Sie sich über „die guten, alten Zeiten“ aus, in denen es noch keine Smartphones und Tablets gab und die klassischen, didaktischen Methoden noch „gut genug“ waren.