2. Drei-Komponenten-Modell (Rosenberg & Hovland, 1960)

Im alltäglichen Sprachgebrauch meinen Menschen mit ihren Einstellungen am häufigsten ihre Emotionen. Sie mögen etwa die neuen Möglichkeiten, die die künstliche Intelligenz bietet, hassen die digitale Erfassung der Schulnoten und finden die Unterrichtsvorbereitung auf klassischem Wege langweilig.

Oft drücken Sie eine Bewertung aus, z.B. könnte eine Lehrkraft die Auseinandersetzung mit der Digitalisierung als belastend empfinden.

Ein solches Urteil beruht auf dem Nachdenken und auf Informationen. In den Einstellungen spielen also mal Gefühle (affektive Komponenten) und mal Gedanken (kognitive Komponente) eine Rolle und von Fall zu Fall überwiegt eine der beiden Komponenten. Manchmal zeigt uns auch unser Verhalten, dass wir eine bestimmte Einstellung haben (Beispiel: Norbert bevorzugt es, Aufgaben per E-Mail zu verschicken, anstatt eine Lernplattform zu nutzen, obwohl die Schule diese anbietet. Sein Verhalten zeigt, dass er möglicherweise eine eher konservative Einstellung gegenüber neuen digitalen Tools hat.)

 

In einem einfachen Modell kann man diese drei Komponenten unterscheiden:

Einstellungen

kognitiv

Wissen, Überzeugungen

"Die Digitalisierung wirkt sich negativ auf das Lernverhalten der Schüler und Schülerinnen aus."

affektiv

Emotionen,

Gefühle

"Beim Thema Digitalisierung fühle ich mich überfordert."

verhaltensbasiert

Reaktionen

"Ich werde das neue Programm zur Unterrichtsplanung nicht verwenden."

Je nachdem, welche Komponente die dominierende ist, können die folgenden Typen von Einstellungen unterschieden werden:

  • Intellektuelle (kognitive) Einstellungen, auch evaluative, wertende Einstellungen genannt. Das sind Meinungen, Überzeugungen, Glaubensgrundsätze und ihnen entsprechende verbale Bewertungen. Auch das Wissen über Mitmenschen und Verstehen von Gegenständen werden in diese Kategorie eingeordnet.

 

Beispiel: Kerstin ist überzeugt, dass digitale Tools wie interaktive Whiteboards den Unterricht effektiver gestalten, weil sie visuelle und auditive Lernmethoden kombinieren. Sie glaubt, dass solche Technologien den Schülern und Schülerinnen helfen, komplexe Themen besser zu verstehen. In Gesprächen mit Kollegen betont sie oft: „Mit dem interaktiven Whiteboard können wir Inhalte viel anschaulicher erklären und die Schüler und Schülerinnen bleiben so viel eher konzentriert.“ Diese Haltung reflektiert ihre kognitive Bewertung der digitalen Technologie als wertvolle Unterstützung im Unterricht.

 

  • Affektive (emotionale) Einstellungen: Sie sind der Ausdruck von gefühlsbetonten Bewertungen, Vorlieben, subjektiven Befindlichkeiten (sich wohl oder unwohl fühlen im Umgang mit anderen Menschen oder bei der Betrachtung/Verwendung bestimmter Objekte). Die emotionalen Einstellungen sind oft mit der Reaktion des autonomen Nervensystems verbunden (z. B. Gänsehaut oder Übelkeit bei der Betrachtung von Objekten, die man nicht mag).

 

Beispiel: Norbert fühlt sich gestresst und überfordert, wenn er digitale Lernplattformen wie Teams oder Moodle nutzen muss, da er mit der Technik nicht vertraut ist. Bei der Vorbereitung von Aufgaben auf der Plattform verspürt er Unbehagen und Frustration, weil er sich unsicher im Umgang mit den Tools fühlt. Diese emotionalen Reaktionen spiegeln eine negative affektive Einstellung gegenüber der Digitalisierung wider.

 

  • Handlungsorientierte (beziehungsweise konative oder verhaltensbasierte) Einstellungen: Das sind Verhaltensabsichten, Verhaltenstendenzen oder offen gezeigtes Verhalten.

 

Beispiel: Kerstin entschließt sich, regelmäßig digitale Tools wie Kahoot oder Quizlet einzusetzen, um den Unterricht interaktiver zu gestalten und das Engagement der Schüler und Schülerinnen zu fördern. Sie nutzt diese Tools bewusst, weil sie glaubt, dass sie den Lernprozess unterstützen und die Motivation der Schüler steigern. Diese Entscheidung und ihr regelmäßiger Einsatz der digitalen Plattformen spiegeln eine handlungsorientierte Einstellung wider.

Es kann passieren, dass sich die genannten Komponenten widersprechen…

 

Beispiele:

 

  • Norbert fühlt sich durch die Pflicht der Einbindung von iPads im Unterricht unter Druck gesetzt und überfordert, schätzt aber den Nutzen wie z.B. keine Arbeitsblätter mehr ausdrucken zu müssen sehr. Dabei ist die emotionale Komponente (unter Druck gesetzt, überfordert) mit der rationalen Komponente (Einschätzung des Nutzens) nicht im Einklang.

 

  • Norbert steht der Nutzung von sozialen Messengern in der Schule z.B. kritisch gegenüber, nutzt aber die Kommunikation per Whatsapp, um alle Eltern schnell und effizient informieren zu können. Das heißt: Die kognitive Komponente (die Nutzung von sozialen Messengern im Alltag als Lehrkraft kritisch sehen) und die handlungsorientierte Komponente (die Nutzung von Whatsapp zur Kommunikation) widersprechen sich.

Übung: Wenn ich an die Nutzung digitaler Tools zur Vermittlung meines Unterrichtsstoffes denke, dann...

 

  • Denke ich: … (kognitive Komponente)
  • Fühle ich mich: … (affektive Komponente)
  • Würde ich am liebsten: … (Verhaltenstendenz)

Beispiele:

Kerstin

Denke ich, dass es wichtig ist, die Schüler*innen zunehmend auf den Umgang mit einer digitalisierten Welt vorzubereiten
Fühle ich mich herausgefordert, neugierig, interessiert
Würde ich am liebsten noch einige Fortbildungen mehr besuchen, um mein Wissen zu vertiefen

Norbert

Denke ich, dass es den Schüler*innen gut tun würde, zumindest in der Schule etwas Abstand von Smartphone, Tablet & Co. zu bekommen
Fühle ich mich genervt, überfordert, fremdbestimmt
Würde ich am liebsten weiterhin klassisch unterrichten und den Schüler*innen zumindest in der Schulzeit Digital Detox gönnen

Solche ambivalenten (inkonsistenten) Einstellungen  kommen recht häufig vor. In der Forschung konnte gezeigt werden, dass sich inkonsistente Einstellungen vergleichsweise schnell ändern und somit leichter beeinflussbar sind als konsistente. Vermutlich ist das der Grund dafür, warum Lehrkräfte selbst Computer und Smartphone als Arbeitsgerät intensiv nutzen, aber Enthaltsamkeit von ihren Schüler*innen und einfordern.

Übung: Meine ambivalenten Einstellungen bezüglich der Digitalisierung in Schule und Unterricht

 

Welche ambivalenten bzw. entgegengesetzten Einstellungen bezüglich der Digitalisierung in Schule und Unterricht kennen Sie von sich? Notieren Sie 3.

 

  • Einerseits,…… . Andererseits,….
  • Einerseits,…… . Andererseits,….
  • Einerseits,…… . Andererseits,….