Was steckt hinter dem Begriff „Selbstführung“?

Selbstführung als Konzept (Neck, Manz & Houghton, 2020) beinhaltet viele Aspekte anderer psychologischer Theorien, die sich mit schul- oder berufsbezogenem Handeln befassen, so z.B. Theorien der Selbstregulation oder auch die Selbstbestimmungstheorie. Gemeinsam ist allen, dass eine Handlung unter nicht so guten motivationalen Voraussetzungen so gestaltet werden muss, dass sie schlussendlich doch erfolgreich ausgeführt wird. Selbstführung bündelt einzelne Aspekte verschiedener Theorien in der Anwendung auf berufliche Kontexte. Zusätzlich aktiv sind dabei Gedanken aus der positiven Psychologie, welche hier ein selbstwertdienliches Reflektieren der eigenen Arbeit in den Mittelpunkt stellt.

Im Gegenzug zu klassischen Führungstheorien, in denen Personen jeweils andere auf diese positiven Prozesse hinführen, gibt Selbstführung diese Aufgaben den Personen selbst in die Hand. Dieser Umstand entspricht auffällig gut dem Arbeitsalltag der Lehrkraft, die meistens in Abwesenheit eines eigenen Büros und im Unterricht häufig ohne präsentes Kollegium Arbeitsabläufe und deren Vorbereitung eigenständig stemmt, sich also „selber führt“.

Was Selbstführung leisten oder auch nicht leisten kann, wurde in verschiedenen Arbeitskontexten beforscht. Hier finden Sie verschiedene Forschungsergebnisse zu einzelnen Strategien, die unter Selbstführung fallen können:

Selbstführung federt Überlastung ab

Mander und Antoni untersuchten 2022, inwieweit Selbstführungsstrategien bei hoher Arbeitsbelastung negative Effekte auf das Privatleben abschwächen kann. Mehr als 1000 Personen aus dem Arbeitserleben wurden dazu herangezogen. Es konnte gezeigt werden, dass Selbstführungsstrategien die Auswirkungen einer hohen Belastung tatsächlich abschwächen konnten, allerdings nur, wenn die Arbeitsbelastung in Form komplexer Aufgaben vorlag und nicht gleichzeitig aus einer großen Anzahl von Aufgaben bestand.

Selbstführung steigert Engagement

2024 konnten Patterer und andere Autorinnen Hinweise auf die Beantwortung der Frage gewinnen, ob die Nutzung von Selbstführungsstrategien dazu führt, dass Arbeitsaufgaben stärker und zielsicherer angegangen werden. 100 berufstätige Personen wurden über einen längeren Zeitraum u.a. dazu befragt, welche Selbstführungsstrategien sie verwenden und mit viel Elan sie an Arbeitsprozesse ohne direkten Input von Führungskräften herangehen. Ein direkter positiver Zusammenhang konnte gefunden werden, Selbstführungsstrategien führten also zum mehr Involvement in relevante Arbeitsprozesse.

Selbstführung kostet auch Energie

Dass Selbstführungsstrategien nicht immer „kostenneutral“ sind, konnten Müller und Nießen bereits 2017 belegen. Über 100 Studierende wurden in einem Experiment darin untersucht, zu welchen Tageszeiten und mit dem Einsatz welcher Strategien sie später noch bereit waren, eine von der Willenskraft her schwere Aufgabe zu erfüllen. Hier gab es allerdings Unterschiede, auf welche Aufgaben hin die Teilnehmenden sich selber führen mussten. Nur bei v.a. kognitiv schwierigen Aufgaben senkte die Nutzung von Selbstführungsstrategien später die Willenskraft, ging es nur um die Menge hatten Selbstführungsstrategien keine negative Auswirkung.