Kognitiver Umgang mit Fehlern
Fehler als Lernchance
Fehler sind ein unvermeidlicher Teil des Lernprozesses. Um eine positive Fehlerkultur zu entwickeln, ist es wichtig, Fehler nicht als Scheitern, sondern als wertvolle Möglichkeit zur Verbesserung zu betrachten.
Da gerade Digitalisierung sich durch einen permanenten Wandel auszeichnet, müssen wir Menschen uns immer wieder neuen Gegebenheiten anpassen. Fehler sind hierbei sehr wichtig, um sich den Impuls, mit Änderungen mitzugehen, zu erhalten. In unserem Kopf – und vermutlich auch als erste Reaktion des Bauchgefühls – sind Fehler aber erst einmal etwas Schlechtes und Führen oft zu gedanklichen Überkompensationen. So z.B. auch bei Kerstin und Norbert.
Fehler als Teil der Lernkurve
Beispiele von Kerstin und Norbert:
- Kerstin installiert eine neue Lern-App, aber sie stürzt während des Unterrichts ab. Sie fühlt sich frustriert und denkt: "Ich hätte das besser vorbereiten müssen; ich bin nicht gut genug." Hier neigt sie zum Katastrophisieren und Personalisieren.
- Norbert versucht, ein interaktives Whiteboard zu nutzen, aber es reagiert nicht wie erwartet. Er denkt: "Technik ist nichts für mich; ich werde es nie lernen." Er generalisiert und sieht den Fehler als Bestätigung seiner Unfähigkeit.
Fehlertypen und ihre Bedeutung
Manche Fehler entstehen, wenn gerade wenig gedankliche Ressourcen vorhanden sind, z.B. wenn das Stressniveau hoch und/oder sehr viel Zeitdruck entsteht, oder man einfach geistig ermüdet ist und nicht die nötige Konzentration aufweisen kann. Dann wird schon einmal die falsche Note eingetragen, in der Email der Anhang vergessen oder der Unterrichtsentwurf nicht gespeichert. Das verursacht zwar Ärger, bedeutet aber meistens nur, dass man sich womöglich mehr Pausen gönnen, Prioritäten setzen oder das Problem auf einen anderen Tag verschieben sollte. Unachtsamkeit lässt keine Rückschlüsse auf Kompetenz zu und passieren jeder Lehrkraft.
Am häufigsten entstehen Fehler, wenn uns Informationen fehlen, entweder zu Fakten oder zu einem bestimmten Vorgehen. Hier ist bei digitalen Elementen der Klassiker des Bedienungsproblems: Wo muss ich jetzt hin klicken? Was bedeutet welches Symbol? Hier zeigen uns Fehler, wie gut unser technisches Vorwissen ist und wie schnell wir dadurch eine Bedienung intuitiv erschließen können – oder eben nicht. Der Fehler gibt dann den Anlass zur Nachfrage, zum Studieren von Ableitungen oder Tutorials, und schlussendlich zur Übung bis wir wissen, wie die Dinge funktionieren.
Strategiefehler unterlaufen uns dann, wenn wir zu bestimmten Situationen keine Erfahrungswerte haben oder einen Planungsaspekt vernachlässigt haben: Z.B. wenn wir ein neues digitales Tool ausgerechnet in der Klasse zum ersten Mal verwenden, die technisch chaotisch ist oder wenn wir aus Versehen, einer Mutter versichern, dass man sie eigentlich immer erreichen könne. Fehler hier werden häufig auftauchen, da nicht jedes digitale Element in jede Situation passt und gerade Digitalisierung auch Gefahren zum Missbrauch in sich trägt. Fehler hier helfen uns, für uns selbst Grenzen zu ziehen, dass nicht alles überall hinpassen muss.
Natürlich kommt es hin und wieder vor, dass die Technik selbst mit sich nicht im Reinen ist, Fehlermeldungen ausgespuckt werden, das Internet ausfällt, ein Kabel beschädigt ist – die Liste kann hier durchaus lang werden. An sich ist das selten ein Fehler, den Sie unter Kontrolle haben. Diese Art von Fehler bringen uns aber bei, Notfallsysteme zu etablieren wie z.B. analoge Unterrichtsmaterialien für den Notfall, die Handynummer des Systembetreuers oder auch nur eine gute Portion Humor, wenn man der Klasse erklären muss, dass es heute etwas anders läuft.
Strategien für den konstruktiven Umgang mit Fehlern
Ein emotional schwieriger aber unbedingt nötiger Schritt ist das nähere Betrachten des eigenen Fehlers, z.B. warum genau haben die Schülerinnen und Schüler trotz meiner extra entworfenen Erklärung nicht verstanden, wie das digitale Tool bedient werden soll? Dass überhaupt ein „Fehler“ vorliegt ist dabei oft noch gar nicht klar, meistens ist zuerst nur eine negative Folge, z.B. Unruhe oder ähnliches und ihr eigener Frust sichtbar. Reflexion bedeutet hier dann, näher hinzusehen und mögliche Ursachen zu finden.
Fehler sind erst einmal unangenehm, weil Dinge nicht so laufen, wie man sich es wünscht. Das betrifft Schülerinnen und Schüler genauso wie Sie. Hilfreich ist es deswegen immer, Fehler als etwas Natürliches und vielleicht auch Nützliches zu konnotieren: wir lernen alle aus Fehlern, aus unseren eigenen und denen der anderen. Je weniger ein Fehler als etwas Besonderes oder „Falsches“ betont wird, umso mehr können in der Klasse gemeinsam bessere Wege gefunden werden, u.a. auch wenn es um Digitales und dessen Benutzung geht.
Aufbauend auf eine fehlerfreundliche Umgebung ändert sich so die Rolle von Feedback aus etwas Unangenehmen heraus zu etwas Besserem: Hilfe, etwas besser zu verstehen und mit mehr Sicherheit anwenden zu können. Ihre Schülerinnen und Schüler sind dabei Verbündete, denn Sie wissen gut, wie welcher digitaler Anteil auf sie wirkt und haben oft gute Ideen.
Negative Gedanken identifizieren und hinterfragen..“: „Negative Gedanken an Fehler können hartnäckig sein, wenn man sie nicht richtig durchschaut. Oft wissen wir gar nicht, warum uns bestimmte Fehler belasten und andere nicht. Ein Gedankentagebuch kann helfen, herauszufinden, was Fehlern vorausgeht, was darauf folgt und damit schlussendlich eine Antwort darauf liefern, welche Fehler für uns besonders belastend sind.
Sokratischer Dialog ist besonders sinnvoll, wenn er im Anschluss an eine Recherche mittels des Gedankentagebuchs steht: dann können wir wie ein guter Anwalt vor Gericht oder eben benannter Philosoph Sokrates unsere eigenen Gedanke kritisch hinterfragen bis sie unklar, unlogisch erscheinen und damit ihre Wirkung verlieren, z.B. wenn Sie ja wissen, dass mindestens zehn ihrer Kolleginnen und Kollegen auch ein Problem mit einem bestimmten Programm haben, warum ist es dann IHR Fehler, wenn es nicht funktioniert?
Analysieren Sie einen eigenen Fehler im Umgang mit digitalen Medien im Unterricht.
- Schritt 1: Beschreiben Sie den Fehler detailliert.
- Schritt 2: Welche Attributionen haben Sie vorgenommen?
- Schritt 3: Wie beeinflussen diese Attributionen Ihre zukünftige Handhabung?
Beispiel
- Fehlerbeschreibung: "Während einer Online-Stunde funktionierte das Video nicht, und ich konnte es nicht abspielen."
- Attributionen: "Ich bin technisch unfähig (intern, stabil, unkontrollierbar)."
- Auswirkung: "Ich vermeide künftig den Einsatz von Videos im Unterricht."